Teilbericht zum Kurzurlaub 2000 an der türkischen Südküste :


Klettern in der Türkei

     Im SBB-Heft 2/1998 berichtete Helmut Paul von seiner Entdeckung eines Klettergebiets beim Seebad Kemer an der türkischen Südküste. Das weckte unsere Neugier und wir buchten für die ersten beiden Märzwochen 2000 eine Pauschalreise nach Tekirova, einem kleinen Ort unmittelbar südlich von Kemer. Schon als uns der Bus des Reiseunternehmens vom Flughafen Antalya zum 70km entfernten Hotel bringt, sehen wir von der Küstenstraße aus die schwarzen Karatasch - Felsen. Sie erinnern uns an die Recken von Meteora, und wir sind gespannt, welche Klettermöglichkeiten sie uns bieten werden.
     Am nächsten Morgen fahren wir mit einem Mietwagen zu den Felsen. Sie liegen in einer wunderschönen Landschaft. Offenbar stellen sie den Rest eines Vulkanschlotes dar, der sich mitten in einer schüsselförmigen Caldera erhebt. Rings um die Felsen liegen verstreut in Orangenhainen die Häuser des Dorfes Kuzdere mit drei Moscheen, von denen just in diesem Moment die elektronischen Muezzins synchron zum Gebet rufen - fremdartig und schön. Wir steigen voller Erwartung hinauf zu den Felsen, doch je näher wir ihnen kommen, desto länger werden unsere Gesichter. Wie soll man an diesem senkrechten Geröll klettern? Es sieht fürchterlich brüchig aus. Ratlos laufen wir um die Felsen herum, überall derselbe Bruch. Helle, wie konntest du uns nur so hereinlegen? Wir sind schon nahe daran, uns auf einen Wandertag umzustellen, da sehen wir in der Nordseite eine liegende Wand. Laut Helles provisorischem Kletterführer ist es die “Schwarze Rampe” (III+) auf den Büyük Karatasch. Der Weg sieht eigentlich ganz vernünftig aus. Wir wollen es wenigstens einmal probieren. Und dann geschieht ein großes Wunder. Wir merken, dass die Geröllbestandteile doch ziemlich fest in das Bindemittel eingefügt sind. Solide Haken in nicht zu großen Abständen geben uns bald das Gefühl der Sicherheit, und je höher wir kommen, um so mehr genießen wir das luftige Klettern an diesem mächtigen Turm. Es ist kein athletisch betontes Klettern, vielmehr kommt es darauf an, den Fels schonend zu behandeln, sich gewissermaßen wie eine Katze hochzuschleichen. Wenn man sich erst einmal darauf eingestellt hat, macht auch das große Freude. Als wir auf dem Gipfel ankommen, rufen die Muezzins bereits zum Abendgebet. Wir aber freuen uns über unseren Erfolg und vor allem darüber, dass wir uns vom ersten Eindruck nicht hatten abschrecken lassen. Unten vom Dorf winken uns die Menschen zu und Kinder rufen so etwas wie “Helle! Helle!”. Sollte der Erschließer etwa schon ein Volksheld geworden sein?
     Wir bestiegen an den folgenden Tagen alle sieben Karatasch-Felsen, meistens auf ausgesprochenen Sternchenwegen. Gegenwärtig gibt es etwa 20 Anstiege. Es sind fast immer Wandwege, aber es gibt auch einige anspruchsvolle Risse. Die Wege sind durch Bohrhaken gut abgesichert - ein herzliches Dankeschön dafür an die beiden bisher aktivsten Erschließer Helmut Paul und Manfred Vogel. Die besten Wege gibt es an den drei größten Türmen, besonders eindrucksvoll fand ich den “Lochstreifen” (VI+) auf den Büyük Karatasch. Aber auch die vier kleineren Türme bieten lohnende Aufstiege, beispielsweise der Bayrak (Fahnenturm) mit seiner glatten, 30m hohen “Ostwand” (IV+), die mit 6 Haken gut gesichert ist. Und selbst für Kinder finden sich Möglichkeiten wie der "Weg für Franz" (II) am Para Torba (Geldsack).
     Folgende Besonderheiten gelten für die Karatasch-Felsen :
-   Man sollte hier stets mit Helm klettern. Vor allem beim Abseilen ist man durch fallende Steine gefährdet.
-   Die Sicherung erfolgt weitgehend über die vorhandenen Haken. Nur selten lassen sich für eine zusätzliche Sicherung Keile oder Friends unterbringen. Das in Sachsen übliche Legen von Schlingen beschränkt sich hier auf die Sicherung an Bäumen.
-   Für die Erschließung neuer Wege (es dürfte hier noch allerhand zu holen sein) sollte man möglichst eine Akku - Bohrmaschine mitbringen, da in diesem harten Stein das Bohren von Hand sehr mühsam ist.
-   Helmut Paul wird demnächst einen Kletterführer zu den Karatasch-Felsen veröffentlichen. Bis dahin können Vorabinformationen im Internet über die Adresse
   www.h-bardoux.de
abgerufen werden.
     Sieben Felsen und zwanzig Wege sind natürlich etwas wenig für einen Kletterurlaub. Deshalb sahen wir uns um, ob es unter den vielen schroffen Felsbergen zwischen Antalya und Tekirova noch weitere lohnende Kletterobjekte gibt. Und wir wurden fündig.Wenn man von Kemer Richtung Westen blickt, erhebt sich über der Climax-Schlucht die ca. 600m hohe Ostwand des Berges Güzel Katran ("Schöner Zedernberg", 2440m). Diese Wand ist durch die Schlucht bequem mit dem Auto erreichbar und besteht aus eisenfestem Karrenkalk. Wir haben probeweise am nördlichen Ende der Wand einen etwa 100m hohen Felspfeiler bestiegen und waren begeistert. Es würde sich lohnen, hier in Ergänzung zu den Karatasch-Felsen weitere Kletterrouten zu erschließen mit dem Ziel: wer genug hat vom Schleichen, lässt zwischendurch mal im Kalk seine Muskeln spielen.
     Abschließend noch einige aktuelle Reisebedingungen. Ein Erwachsener bezahlt für den Flug nach Antalya und Hotel plus Halbpension für eine Woche ca. 600DM, für zwei Wochen ca. 800DM. Die Verpflegung ist lecker und reichlich, so dass man in dieser Richtung kaum weitere Ausgaben hat. Viele Ziele erreicht man preisgünstig mit dem Autobus, wenn man aber die Zeit gut nutzen möchte, kann ein Mietwagen sehr vorteilhaft sein. Wir mieteten in Tekirova einen PKW vom Typ Schahin (entspricht Fiat 131 und hat Raum für 5 Personen) mit Vollkasko für 40DM/Tag. Dieser niedrige Preis ist sicher nur außerhalb der Saison erzielbar. Doch ohnehin sind hier zeitiges Frühjahr und später Herbst fürs Klettern besonders geeignet. Und noch eine Empfehlung: man sollte in dieser wunderbaren Gegend nicht nur ans Klettern denken. Man kann hier auch mit Genuss wandern. Dabei sollte man den 2366m hohen Tahtali Dagh direkt über Kemer, den bis Mai eine dicke Schneehaube ziert, nicht verpassen. Außerdem lockt das Meer mit seinem klaren, türkisfarbenen Wasser, das auch Anfang März schon badewarm ist. Und nicht zuletzt gibt es in der näheren Umgebung viele sehenswerte Altertümer, wobei ich vor allem den Besuch der antiken Stadt Termessos empfehlen möchte, die wie ein Adlernest hoch in den Bergen über Antalya liegt und deren tapfere Bewohner einst der Armee des großen Alexander widerstanden.
     Wir überzeugten uns, dass die türkische Südküste auch für Kletterer allerbeste Voraussetzungen für einen vielseitigen, erlebnisreichen Urlaub bietet. Bestimmt fahren wir bald wieder hin.

(Dieser Bericht wurde im Mitteilungsblatt 2/2001 des Sächsischen Bergsteigerbunds veröffentlicht.)

Bilder zum Vergrößern:
Karatasch-Felsen unterm Tahtali   Karatasch-Felsen von SO   Himmelstor 1   Himmelstor 2   Gipfel Kücük Karakule  


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